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Aus den Schriften
von
Marie von Ebner-Eschenbach.
Sechstes bis zehntes Tausend.
Berlin.
Verlag von Gebrüder Paetel
(Dr. Georg Paetel).
1911.
Alle Rechte,
vornehmlich das der Übersetzung in fremde Sprachen, vorbehalten.
Altenburg
Pierersche Hofbuchdruckerei
Stephan Geibel & Co.
Seite | |
1. Der Kreisphysikus | 7 |
2. Der Nebenbuhler | 105 |
3. Der Vorzugsschüler | 147 |
4. Er laßt die Hand küssen | 205 |
5. Fräulein Susannes Weihnachtsabend | 235 |
Doktor Nathanael Rosenzweig hatte eine entbehrungsreicheJugend durchlebt. Was genießenheißt, erfuhr er in der schönsten Zeit des Daseins nicht.Heute hungern und dabei gerade genug erwerben,um morgen weiter hungern zu können; nachts umzwei Uhr sich zusammenrollen wie ein Igel undin der Ecke der Kellerstube den harten, traumlosenSchlaf der Erschöpfung schlafen; erwachen bei demGewimmer der alten Großmutter, die sich entschuldigte,daß sie noch nicht gestorben sei, daß sie ihm noch zurLast fallen müsse; forteilen, um lehrend die Möglichkeitzu erringen, selbst zu lernen – so ging es jahraus,jahrein. Erwerben, der Inbegriff all seinesDichtens und Trachtens, Geld erwerben, Kenntnisse,Gunst, hauptsächlich die seiner Professoren (Nathanaelstudierte Medizin an der Universität in Krakau), erwerbenum jeden Preis, den der Ehrlichkeit einzigausgenommen, erwerben und nur ja nichts umsonsthergeben, nicht den kleinsten Teil der eigenen Kraft;keine mitleidige Regung kennen, keine hemmendeRücksicht.
Seine Großmutter und er, er und seine Großmuttermachten für ihn die Welt aus, und wiewenn seine Welt klein war, so waren seine Ziele nahe.Das erste und am schwersten Errungene bestand in dem-10-Ersparnisse so vieler Gulden, daß er und die alteFrau nicht sofort verhungern mußten, wenn ein unvorhergesehenesUnglück seine Tätigkeit für einigeZeit lähmen sollte. Als er es erreicht hatte, da fühlteer sich als Kapitalist und tröstete die Großmutter beiihrer allmorgendlichen Klage mit den W