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Wilhelm Meisters Wanderjahre—Buch 2oder die Entsagenden

Zweites Buch

Erstes Kapitel

Die Wallfahrenden hatten nach Vorschrift den Weg genommen und fandenglücklich die Grenze der Provinz, in der sie so manches Merkwürdigeerfahren sollten; beim ersten Eintritt gewahrten sie sogleich derfruchtbarsten Gegend, welche an sanften Hügeln den Feldbau, auf höhernBergen die Schafzucht, in weiten Talflächen die Viehzucht begünstigte.Es war kurz vor der Ernte und alles in größter Fülle; das, was siejedoch gleich in Verwunderung setzte, war, daß sie weder Frauen nochMänner, wohl aber durchaus Knaben und Jünglinge beschäftigt sahen,auf eine glückliche Ernte sich vorzubereiten, ja auch schon auf einfröhliches Erntefest freundliche Anstalt zu treffen. Sie begrüßteneinen und den andern und fragten nach dem Obern, von dessen Aufenthaltman keine Rechenschaft geben konnte. Die Adresse ihres Briefslautete: "An den Obern, oder die Dreie." Auch hierin konnten sichdie Knaben nicht finden; man wies die Fragenden jedoch an einenAufseher, der eben das Pferd zu besteigen sich bereitete; sieeröffneten ihre Zwecke; des Felix Freimütigkeit schien ihm zugefallen, und so ritten sie zusammen die Straße hin.

Schon hatte Wilhelm bemerkt, daß in Schnitt und Farbe der Kleidereine Mannigfaltigkeit obwaltete, die der ganzen kleinen Völkerschaftein sonderbares Ansehn gab; eben war er im Begriff, seinen Begleiterhiernach zu fragen, als noch eine wundersamere Bemerkung sich ihmauftat: alle Kinder, sie mochten beschäftigt sein, wie sie wollten,ließen ihre Arbeit liegen und wendeten sich mit besondern, aberverschiedenen Gebärden gegen die Vorbeireitenden, und es war leichtzu folgern, daß es dem Vorgesetzten galt. Die jüngsten legten dieArme kreuzweis über die Brust und blickten fröhlich gen Himmel, diemittlern hielten die Arme auf den Rücken und schauten lächelnd zurErde, die dritten standen strack und mutig; die Arme niedergesenkt,wendeten sie den Kopf nach der rechten Seite und stellten sich in eineReihe, anstatt daß jene vereinzelt blieben, wo man sie traf.

Als man darauf haltmachte und abstieg, wo eben mehrere Kinder nachverschiedener Weise sich aufstellten und von dem Vorgesetztengemustert wurden, fragte Wilhelm nach der Bedeutung dieser Gebärden;Felix fiel ein und sagte munter: "Was für eine Stellung hab' ich denneinzunehmen?"—"Auf alle Fälle", versetzte der Aufseher, "zuerst dieArme über die Brust und ernsthaft-froh nach oben gesehen, ohne denBlick zu verwenden." Er gehorchte, doch rief er bald: "Dies gefälltmir nicht sonderlich, ich sehe ja nichts da droben; dauert es lange?Doch ja!" rief er freudig, "ein paar Habichte fliegen von Westen nachOsten; das ist wohl ein gutes Zeichen?"— "Wienach du's aufnimmst, jenachdem du dich beträgst", versetzte jener; "jetzt mische dich untersie, wie sie sich mischen." Er gab ein Zeichen, die Kinder verließenihre Stellung, ergriffen ihre Beschäftigung oder spielten wie vorher.

"Mögen und können Sie mir", sagte Wilhelm darauf, "das, was michhier in Verwunderung setzt, erklären? Ich sehe wohl, daß dieseGebärden, diese Stellungen Grüße sind, womit man Sie empfängt."—"Ganz richtig", versetzte jener, "Grüße, die mir sogleich andeuten,auf welcher Stufe der Bildung ein jeder dieser Knaben steht."

"Dürfen Sie mir aber", versetzte Wilhelm, "die Bedeutung desStufengangs wohl erklären? denn daß es einer sei, läßt sich wohleinsehen."— "Die gebührt Höheren, als ich bin", antwortete jener;"so viel aber kann ich versichern, daß es nicht leere Grimassen sind,

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