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Album.

Bibliothek deutscher Original-Romane.

Unter Betheiligung
der ersten deutschen Schriftsteller
herausgegeben
von
Alfred Meißner.

XXVI. Jahrgang. 6. Band.

Leipzig,New-York,
Ernst Julius Günther.  L. W. Schmidt.  
1871.

Verflossene Stunden.

Novelle
von
S. Junghans.


Leipzig,New-York,
Ernst Julius Günther.  L. W. Schmidt.  
1871.

Erstes Kapitel.

»Ja, mein Kind«, sagte die Mutter eines Tageszu mir, »es wird doch am besten sein, daß Du demRathe des Herrn Pfarrers folgst und die Stelle annimmst,von der er mit uns sprach; ich sehe wohl, für eine jungeDame Deines Standes, wenn sie mittellos ist, sind hiernur Demüthigungen zu erwarten.« Und nachdem siediese Worte rasch und in einem Tone gesprochen,welcher trotz seiner Kälte ihre Gereiztheit merken ließ,schloß meine Mutter ihre Lippen fest und fuhr eifrigzu stricken fort. Ich hatte daher Zeit, über eine geeigneteAntwort nachzudenken, denn erstens mußte ich derMutter klar machen, daß etwas mehr als das bloßeAnnehmen jener Stelle meinerseits nöthig sei, und dannwünschte ich auch zu erfahren, welche Unhöflichkeit oder Unzartheit der Leute des Städtchens sie um denihr natürlichen vornehmen Gleichmuth gebracht hatte.In beiden Angelegenheiten mußte ich schonend zu Werkegehen. »Ich denke, liebe Mutter«, sagte ich vorsichtig,»daß ich dann wohl am besten sogleich an jene Mrs. Grayschreibe, um ihr zu sagen –« »Daß Du gesonnenbist, die Stelle einer Erzieherin ihrer Kinder, einer Untergebenenin ihrem Hause anzunehmen, Du, ein Fräuleinvon Günthershofen!« unterbrach mich meine Muttermit scharfer Stimme und fuhr bitter fort: »Ach, wenndas Dein Vater wüßte!« – »Um ihr vorerst auseinanderzusetzen,in welchen Fächern ich unterrichtenkann«, sagte ich und lenkte ein, da ich meiner MutterStirnrunzeln bemerkte: »damit sie weiß, was ich zuunternehmen gedenke und was nicht.« – »Thue das,Kind«, entgegnete Frau von Günthershofen streng,»doch vorerst laß uns Thee trinken.« Ich legte dasTischtuch auf den Tisch, wobei ich Sorge trug, daßdie gestopften Stellen desselben unter das Theebretkamen, brachte Tassen, Brod und Butter herbei, undzwar mit einem gewissen wehmüthigen Genießen dieserkleinen Dienste; sah ich doch voraus, daß ich sie nun, dameine Mutter endlich ihre Zustimmung zu meinem Fortgehengegeben hatte, nicht mehr lange würde zu verrichtenhaben. Und wem fielen dieselben dann zu? Dem kleinen Dienstmädchen aus einem benachbarten Dorfe,welches wir nach seiner Confirmation ins Haus genommenund welches meine Mutter seiner hastigen, ungeschicktenBewegungen halber kaum um sich dulden konnte.Wenn ich daran dachte, daß die stattliche alte Dame,welche in frühern Jahren über die correcte Bedienungvon Lakaien verfügt hatte, nun bald den unbeholfenenVersuchen unseres Lieschen allein anheim gegeben seinsollte, so erfaßte mich ein wahres Entsetzen und der Gedankean ein Fortgehen

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