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Maria Lazar

DIE VERGIFTUNG

1920
LEIPZIG - E. P. TAL & Co., VERLAG - WIEN

Alle Rechte, insbesondere das der Übersetzung vorbehalten.
Copyright 1920 by E. P. Tal & Co., Verlag Leipzig und Wien.

Die Tür

Eine braune Holztür, glatt, mit vielen dunklenFlecken. Eine Tür wie sie überall ist, überall ist.Eine Tür –

Nein, eine dunkle Macht, feindlich, glatt, mit vielendunklen Flecken. Das schlägt ins Gesicht, dem ganzenKörper entgegen. Eine Schicht, eine dünne, harteWand.

Und da verloren sich die schmiegsamen Formenihres Leibes. Das Immerweitertasten ihrer Händeblieb stecken. Sie wurde platt zusammengedrückt zueiner Fläche, einem Ding, aus dem nur der ungeheureSchrecken herausgestiegen war und draußen stehenblieb, verwundert.

Als sie über die Treppe des Alltagshauses ging,trat sie in die Abdrücke der hundert geschäftigen Füße,die täglich hier vorüberliefen.

Wieso war sie überhaupt dahergekommen? Immerdaher gekommen und nur da her, daß alles übrige draußenliegen blieb?

Heute drang das Licht blendend durch Steine unddie erstarrte Haut ihres Leibes. Von den Blättern troffes, grell und heiß, und duftete nach dem Blut aller,die auf der Straße gingen. Das Blau war zu tief, zusammengedichtetaus trotzigen Kräften.

Ach, die furchtbare Helle. Und in sie hineingelegtdie Tür, mit den dunkelbraunen Flecken. Die sich niemals,aber auch niemals einschlagen läßt.

Diese Tür war schon damals gewesen, als sie soklein war, daß sie den Kopf ganz nach hinten legenmußte, um die ersten Stockfenster zu sehen. War esdie Tür aus dem Kinderzimmer heraus oder von derKüche in den dunklen Gang, an die sie sich nicht zuhämmern traute, als man sie einmal dort eingesperrthatte? Die Tür, die sich nie und nie zertrümmern läßt.

Wievielmal schon hatte sie diese Türe geöffnet, mitHänden, die dem eigenen Sieg nicht glauben wollen.Nur ein leichter Druck auf die Klinke – und hattedoch immer den Mut gehabt, zu wissen, daß diese Türeeinmal verschlossen sein muß. Jedesmal hatte sie deneinen gräßlichen Moment erlebt, der heute Wahrheitgeworden war – verschlossen.

Heute, es ist ja gar nicht heute. Das war schonimmer, das hat sie ja schon hunderttausendmal erlebt.Tritt man nicht aus der Zeit heraus, wenn dann eineStunde kommt, die sich einbildet, die erste zu sein.Ein Heute, das ewig ist – ein Schritt aus dem warmenLeben – vielleicht ist ihr deshalb so entsetzlich kalt.Und sie muß die Augen schließen, während das Sonnenlichtdes Tages die Wimpern versengt.

Verschlossen – undurchdringlich.

Sie geht durch Straßen, wo die Nachmittagsrötedie Mauern frißt. Und weiß: Der breiten Kastanie vorseinem Fenster ist heute ein Ast abgehauen worden.Blendend weiß bietet sich die Wunde der gierigenSommersonne dar.

Sie kann nie mehr weiter tasten. Steht fest, undurchdringlich– verschlossen.

Ich muß denken, sagte Ruth. Sie nahm den Brief,der in seine Tür geklemmt war und dachte: Ein zukleines Kouvert. Und warum macht er dem R bei Ruthso einen Schnörkel? Eine wütende Lust überkam sie,den Brief von sich zu werfen, irgendwohin, vielleichtin den Straßengraben. Und da

...

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