Roman
von
Angela Langer
S. Fischer, Verlag, Berlin
1916
Alle Rechte, besonders die der Übersetzung, vorbehalten
Copyright 1916 S. Fischer, Verlag, Berlin
Die Baukommission war wieder einmal denBerg heraufgekommen. Östlich vom Klausenhof,keine fünfzig Meter davon, gerade an der Stelle, woder Wald mit tiefdunklen Tannen und hellgrünenLärchen einsetzte, machte sie halt und begann denBoden zu prüfen und zu messen.
Unten auf der Wiese standen der Klausenbauerund sein Sohn. Sie hatten die Fremden den steilenWeg emporkommen sehen, hatten sie ihre rätselhaftenGeräte auf dem grünen Waldboden ausbreitensehen, und nun stockten sie in ihrer Arbeitund sahen sich schweigend an. Der Sohn hinabzu dem Vater, der Vater hinauf zu dem Sohn.Und respektvoll wartete der Junge, bis der Altereden würde. Aber der Alte redete nicht. Er spucktein seine ledernen Hände, griff nach der Hacke undführte gegen den fetten, lockeren Boden zähe, energischeStreiche. Da nahm auch der Junge seineArbeit wieder auf. Aber seine Finger zitterten nichtum den Schaft der Hacke, und in seinen Augenlag kein Zorn. – Was war auch so sehr Böses daran, daß sie hier oben bauten? Die Schuld lagbeim Vater. Hätte er doch den Wald vor sechsJahren erstanden. Damals fing es an. Erst dasHaus am äußersten Bergrand. Breit, behäbig,als ob es ein uraltes Recht hätte dort zu stehen,erhob es sich aus dem Boden, und als es fertigwar, erhielt es den Namen »Waldfriede«. DenWinter über merkten die Klausen kaum etwas davon,aber mit dem Sommer begannen sie es zuspüren. Die Eigentümer der Villa zogen herauf,und nun wehten bald im Wald, bald auf den Wiesendie Schleier der Frau Doktor. Noch im selbenJahre erbaute man zwei andere Villen, im nächstenJahr noch eine. – Und der Klausenhof, der seitJahrzehnten stolz und einsam auf dem Berg gestanden,stand nicht mehr allein.
Das kam den Klausenbauern vor wie ein Unglück.
Seit Generationen und Generationen war keinfremder Mensch auf den Berg gekommen, und nuntraf man bald da, bald dort diese neuen Leute mitihrem weichlichen Getue. Aber ihre Villen lagendoch tiefer unten, denn die weiten Wiesen, die denKlausenhof umgaben und zum Klausenhof gehörten,wehrten jede Ansiedelung in der Nähe. Nurder Wald war fremdes Gut. Das hatte den Klausenbauernlängst Sorge gemacht, und sie hätten ihngerne erstanden. An Geld hätte es auch nicht gefehlt,denn sie waren reiche Bauern. Aber der Alte war langsam, bedächtig und schwer von Entschluß.– Ja, schwer von Entschluß – und der Junge erschraküber seine Respektlosigkeit und schaute scheuauf den Alten. Der aber war ruhig gewordenund arbeitete fort, als gäbe es nichts. Nur denBlick des Jungen vermied er geflissentlich, und alsStephan das merkte, fiel ihm ein, daß er zu denKnechten müsse. Darauf nickte der Alte, aber eswar wie eine traurige Antwort auf eine traurigeFrage. Das schnitt Stephan ins Herz, und erdachte: »Könnte ich ihn nicht trösten? Er meint,mir liegt etwas an dem Wald.« Aber die Worte,die er reden wollte, freundliche, begütigende Worte,überschlugen sich in seiner Kehle mit dumpfem Geräusch,und als sie endlich heraus waren, sagten sieetwas Gleichgültiges über eine der Wiesen weiterunten. Ganz beschämt nahm er seine Hacke und ging.
Das war die Art der Klausen